Im November 2015 sah ich eine Kamera, die mir zuvor nie untergekommen war: Eine Zenit.
Nach ausführlichen Recherchen und zahlreichen Artikeln und Bildern zu dieser mir bis dahin unbekannten Kameramarke, ergriff mich das G.A.S. (gear acquisition syndrome) und ich gönnte mir zu Weihnachten eine Zenit. Mehr über die Geschichte und die Kamera erfahrt ihr nun hier.
Der Siegeszug der Zenit begann für die Herstellerfirma KMZ (Krasnogorski Mekhanicheskii Zavod) zunächst mit einem anderen Modell: Der Zorki.
Die Zorkis wurden nach Kriegsende als billige Leicakopien entwickelt und bildeten die Grundlage für Gehäuse, die ab den frühen 50er-Jahren für die ersten Zenit-Kameras verwendet wurden.
Anfangs baute die Firma noch das ZM39-Bajonett der Zorki in die Zenit ein, später ging man auf das verbreitetere M42-Bajonett über.
Die wohl am meisten verkaufteste und damit auch bekannteste Zenit ist die Zenit E, die die erste "moderne" Spiegelreflexkamera von KMZ war, da sie nun auch über einen integrierten Belichtungsmesser verfügte, der allerdings noch nicht wie heute üblich "through the lens" (=TTL) arbeitete, sondern über eine lichtempfindliche Selenzeele an der Stirnseite der Kamera, wo sich üblicherweise der Markenname befindet. Exakt 3.334.540 Mal stellte man die Zenit E her, wie aus detaillierten Stückzahlen, die der Hersteller veröffenlichte, hervorgeht. Damit ist die Zenit E eine der meistverkauftesten Kameras der Welt.
Im Grunde genommen unterscheidet sich die Zenit-Kameras nicht sonderlich großartig von zeitgenössischen halbautomatischen Spiegelreflexkameras und dies änderte sich auch über die Herstellungsdauer nicht markant. Zwischen den unterschiedlichen Modellen bestehen oft nur feine Unterschiede, die meist einfache Optimierungen, sowie Namensänderungen aus Exportgründen ausmachen.
Die Kamera, die sich nun in meinem Besitz befindet, ist eine Zenit 12 SD, welche von 1983 bis 1994 468.956 Mal hergestellt wurde. Die Zenit 12 SD ist die russische Inlandsversion der Zenit 12 XP, die sich abgesehen vom kyrillischen Schriftzug nicht sonderlich vom eXPort-Modell (daher der Name) unterschied. Als Standardkitobjektiv ist das HELIOS-44M-4 mit f2/58mm dabei.
Mein Exemplar wurde 1990 produziert und 1991 gekauft, seitdem nie benutzt und ist so gut wie neu. Vermutlich kaufte der Vorbesitzer sie während des Zerfalls der UdSSR und nahm sie mit nach Deutschland, wo sie zunächst nur verstaubte, bis sie bei mir landete.
Der technische Komfort der Kamera hält sich in Grenzen. Die Einstellungsmöglichten der Belichtungswerte erfolgt wie gewohnt bei älteren analogen Kameras über Belichtungszeitenrad und Blendenring. Die auswählbaren Zeiten sind nur blendenweise (die Belichtungszeit verdoppelt/halbiert sich) verstellbar. Zwischenschritte wie bei anderen Kameras (Halb- oder Drittelblenden) fallen weg.
Am Blendenring kann man allerdings halbblendig den Lichteinfall kontrollieren.
Die Kamera verfügt über eine recht praktische Abblendfunktion, die durch halbes Drücken des Auslösers die Tiefenschärfe der ausgewählte Blende durch den Sucher zeigt.
Der Belichtungsmesser funktioniert durch zwei rote LEDs im Sucher, wo bei Überbelichtung die obere und bei Unterbelichtung die untere LED anfängt zu blinken, wenn man den Auslöser halb durchdrückt und damit die Messung anschaltet. Bei ausgeglichener Belichtung blicken beide LEDs im Wechsel. Dass durch Drücken des Auslösers sowohl Kontrolle der Tiefenschärfe als auch der Belichtung direkt möglich ist, verleiht der Kamera eine noch nicht erlebte Nützlichkeit und auch ein Stück Komfort gegenüber der eigentlich spartanischen Bauweise.
Der Belichtungsmesser arbeitet erstaunlich präzise in Anbetracht der Tatsache, dass die Lichtempfindlichkeit älterer Lichtmesser oftmals nachlässt, was Vergleichsmessungen mit meiner digitalen Kamera glücklicherweise widerlegten.
Aus der Erfahrung im praktischen Umgang mit der Kamera bleibt folgendes zu sagen.
Vielfach wird sie mit einem Panzer verglichen, da sie sehr robust ist und dementsprechend schwer in der Hand liegt. Der simple und widerstandsfähige Aufbau macht die Kamera sehr langlebig und einfach in der Reperatur, weswegen einige spezialisierte Liebhaber Zenit-Kameras reparieren können, obwohl die Firma seit 2005 keine Spiegelreflexkameras mehr produziert.
Das Objektiv bietet schon beim Blick durch den Sucher eine Vorahnung auf das "swirly bokeh" oder das "soap bubble bokeh", das das HELIOS-44M-4 haben soll. Damit ist dieses Objektiv eine günstige Alternative zu alten, teuren Optiken, wie dem Trioplan von Meyer-Optik-Görlitz.
Ein "swirly bokeh" ist eine ellipsenförmige Unschärfe hinter dem Objekt, auf das fokussiert wurde.
Die M-4-Version des Helios soll aber leider noch nicht so scharf gewesen sein, wie die M-5- und M-6-Nachfolger.
Leider habe ich noch keine Ergebnisse, um die Qualität der Optik selbst einschätzen zu können, aber der erste Film ist fast voll und dann kann ich mit Beispielbildern aufwarten.
Ebenfalls interessant könnte folgende Meldung sein, die zeitgleich zu den Recherchen zu diesem Post auftauchte. Laut Petapixel.com (Link zum Artikel) soll Zenit nach zehnjähriger Pause wieder aufleben. So gäbe es Pläne, die Marke im hohen Luxussegment als direkten Konkurrenten zu Leica zu vertreiben. Welche Ironie, wenn man bedenkt, dass die Geschichte der Zenit bei einer Leicakopie fußt. Welche Spezifikationen man erwarten kann oder ob digitale bzw. analoge Kameras produziert werden, ist dagegen noch nicht bekannt. Mal sehen, was die Zukunft bringt.
Im Anschluss findet ihr die für diesen Post verwendeten Quellen, die sich ebenfalls sehr gut zum Weiterlesen eignen.
Ausführliche Geschichte + Auflistung der Modelle & Stückzahlen: http://www.g-st.ch/privat/kameras/zenit.html
Überblick über die verschiedenen 12er-Modelle, sowie andere Zenit-Kameras: http://sovietcams.com/index.php?-1170803771
Tipps zur Nutzung und Informationen zur Zenit 12: http://mattsclassiccameras.com/zenit_12cd.html
Zenit-Comeback: http://petapixel.com/2016/02/12/russian-zenit-camera-coming-back-battle-leica-luxury/